Unrechtsstaat ist eine
abwertend gebrauchte
[1] Bezeichnung für einen
Staat, der kein
Rechtsstaat ist.
[2] Es handelt sich um ein
politisches Schlagwort, mit dem die Regime sowohl
Deutschlands zur Zeit des Nationalsozialismus als auch der
DDR gekennzeichnet werden. Der Begriff hat Eingang in den
rechtswissenschaftlichen Diskurs gefunden, der sich insbesondere um eine Definition des Begriffs bemüht.
[3]
Begriffsursprung
Der Begriff wird auf den preußischen Katholiken
Peter Reichensperger (1810–1892) zurückgeführt. Mit dem Begriff des
Unrechtsstaates
wollte Reichensperger andeuten, dass Preußen ein solcher würde, wenn es
die Rechte seiner katholischen Untertanen beschneidet. In der 24.
Sitzung der Zweiten Kammer des Preußischen Landtags am 12. Februar 1853
äußerte der Abgeordnete Reichensperger: „Ich denke, der Rechtsstaat
besteht darin, dass der Obrigkeit das Schwert zum Schrecken der Bösen
anvertraut ist, und zum Schutze derer, die in ihrem Recht sind, ihr
Recht üben; einen Unrechtsstaat würde man dagegen meines Erachtens
denjenigen zu nennen haben, welcher die Unruhestifter schützen und
diejenigen bedrohen wollte, die in ihrem Rechte sind.“
[4]
Begriffsinhalt
Der ehemalige Reichsjustizminister
Gustav Radbruch (SPD) wandte den Begriff 1946 in seinem epochemachenden Aufsatz
Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, in dem er die
Radbruch’sche Formel prägte, auf das NS-Regime an: Um „die Wiederkehr eines solchen Unrechtsstaates“ zu verhüten, müsse der
materiellen Gerechtigkeit Vorrang vor dem
positiven Recht eingeräumt werden, wenn dieses unerträglich ungerecht sei oder die
Gleichheit aller Menschen bewusst verleugne.
[5]
In Nachfolge Radbruchs wurde der Begriff Unrechtsstaat dann lange zur
Kennzeichnung des nationalsozialistischen Deutschlands benutzt.
[6]
Nach Ansicht von
Horst Sendler ist es kennzeichnend für einen Unrechtsstaat, dass es daran fehlt, dass die Verwirklichung des
Rechts angestrebt und im Großen und Ganzen erreicht wird.
[7]
Dabei machten einzelne Rechts- und Verfassungsverstöße einen Staat noch
nicht zum Unrechtsstaat, da diese mitunter auch in Rechtsstaaten
vorkommen.
[7]
Auch sei ein Staat nicht schon dann als „Unrechtsstaat“ zu bezeichnen,
wenn er nicht dem Modell des klassischen bürgerlichen Rechtsstaats und
insbesondere nicht dem
bundesdeutschen Rechtsstaatsbegriff entspricht.
[8]
Andererseits schließe der Begriff „Unrechtsstaat“ nicht aus, dass es in
einem derartigen Staat auch Bereiche gibt, in denen Rechtsstaatlichkeit
herrscht und Gerechtigkeit geübt wird.
[9] Gerd Roellecke hält es demgegenüber für entscheidend, dass ein Unrechtsstaat nicht die
Gleichheit
aller Menschen voraussetze. Im Unterschied zu historischen
„Nichtrechtsstaaten“ könnten Unrechtsstaaten nach dem Stande der
historischen Entwicklung auch Rechtsstaaten sein.
[10]
Verwendung in juristischen Texten
Im
Remer-Prozess schloss sich das Gericht 1953 in seinem Urteil der Argumentation des Generalstaatsanwalts
Fritz Bauer an, „dass der Staat
Hitlers nicht ein Rechtsstaat, sondern ein Unrechtsstaat“ gewesen sei, gegen den
Widerstand zu leisten als
Notwehr gerechtfertigt sei.
[11]
„Die Strafkammer ist der Auffassung, daß der nationalsozialistische
Staat kein Rechtsstaat, sondern ein Unrechtsstaat war, der nicht dem
Wohle des deutschen Volkes diente. Dabei braucht hier auf die Frage der
Verfassungsmäßigkeit des NS-Staates nicht näher eingegangen zu werden.
All das, was das deutsche Volk, angefangen vom Reichstagsbrand über den
30. Juli 1934 und den 9. November 1938 hat über sich ergehen lassen
müssen, war schreiendes Unrecht, dessen Beseitigung geboten war. Es ist
schwer, bitter und hart für ein deutsches Gericht, so etwas aussprechen
zu müssen.“
–
Urteil des Braunschweiger Landgerichts im März 1952[12]
Bauer fasste den Begriff des Unrechtsstaates eng: Dass etwa das
faschistische Italien
darunter zu rechnen sei, bezweifelte er, da dort kein „Feind“ definiert
gewesen sei, der systematisch „ausgemerzt“ werden sollte. Diese
Bedingungen erfüllten seines Erachtens nur das NS-Regime und die
stalinistische Sowjetunion.
[13]
Der Begriff „Unrechtsstaat“ wurde außerdem in einer
Proklamation des
Bundespräsidenten Heinrich Lübke aus dem Jahr 1963 verwendet, worin der
17. Juni zum nationalen Gedenktag erklärt wurde.
[14] In abgewandelter Form als „Unrechts-Regime“ wird der Begriff in
Art. 17
Satz 2
Einigungsvertrag – in der Formulierung „
SED-Unrechts-Regime“ – verwendet, ebenso im Zweiten Gesetz zur Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 26. März 1993
[15] und in
Art. 315a
des
Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB), wo jeweils vom „SED-Unrechtsregime“ die Rede ist. In der Formulierung „
nationalsozialistisches Unrechtsregime“ wird der Begriff in
§ 1
des
Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege ebenfalls benutzt.
Auch in der wissenschaftlichen
staatsrechtlichen Diskussion werden die Begriffe „Unrechtsstaat“ und „Unrechtssystem“ – insbesondere in Bezug auf die
DDR – oft gebraucht.
[16] Auf das „
Dritte Reich“ wurde der Ausdruck „Unrechtsstaat“ erstmals im Jahr 1979 in einer rechtswissenschaftlichen Publikation angewendet.
[1][17]
In der
Rechtsprechung deutscher
Gerichte werden sowohl das „Dritte Reich“
[18] als auch die DDR
[19] als Unrechtsstaat bezeichnet. Ein anderes Beispiel aus der Rechtsprechung ist
Myanmar, das in einem Urteil des
Verwaltungsgerichts Karlsruhe von 2008
[20] „angesichts der seit Jahrzehnten andauernden Diktatur der Militärjunta“ als Unrechtsstaat charakterisiert wurde.
Verwendung in der Diskussion um die DDR
Historisch-politische Diskussion
Der Unrechtsstaatsbegriff spielt insbesondere in der historisch-politischen Diskussion um die Bewertung der
Deutschen Demokratischen Republik bis zur
Wende 1989/90 eine Rolle.
[21] Bundespräsident
Roman Herzog etwa erklärte am 26. März 1996 vor der
Enquête-Kommission Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit über die DDR: „Sie war ein Unrechtsstaat.“
[22] Ebenso äußerte sich im Jahr 2009 auch
Bundeskanzlerin Angela Merkel.
[23] Der Historiker
Ilko-Sascha Kowalczuk vertritt ebenfalls die These, die DDR sei ein Unrechtsstaat gewesen. Dies begründet er mit dem Fehlen einer
Verwaltungsgerichtsbarkeit und
Gewaltenteilung: Die
Justiz sei nie unabhängig von den politischen Vorgaben von Staat und Partei gewesen. Das
Strafgesetzbuch der DDR habe zahlreiche politische Straftatsbestände gekannt wie
staatsfeindliche Hetze, Staatsverleumdung, Zusammenrottung usw., was zu einer großen Zahl von
politischen Gefangenen geführt habe. Diese hätten in der Mehrzahl einfach nur
das Land verlassen wollen oder seien wegen Weitergabe unerwünschter Literatur wie
George Orwells 1984 kriminalisiert worden:
„Unrecht war strukturell und politisch bedingt, Recht blieb stets willkürlich.“[24]
Andere hingegen, vor allem Politiker der
Linkspartei, wehren sich gegen die Charakterisierung der DDR als Unrechtsstaat, beispielsweise die Politikerin
Gesine Lötzsch mit der Begründung, der Begriff „Unrechtsstaat“ sei ein propagandistischer Kampfbegriff, der brandmarken solle.
[25] Lothar de Maizière,
letzter Ministerpräsident der DDR, bezeichnet die Vokabel
„Unrechtsstaat“ als unglücklich, da der Begriff unterstelle, dass alles,
was dort im Namen des Rechts geschehen ist, Unrecht gewesen sei.
[26] Auch die Politikwissenschaftlerin
Gesine Schwan lehnt die pauschalisierende Anwendung des Begriffs „Unrechtsstaat“ auf die DDR ab. Zwar sei die DDR kein
Rechtsstaat gewesen, ihre einseitige Beschreibung als Unrechtsstaat stelle aber Arbeit und Leben sämtlicher ehemaligen
DDR-Bürger unter einen moralischen Generalverdacht.
[27]
In den Koalitionsgesprächen zur Regierungsbildung der neuen
Landesregierung in Thüringen 2014 wurde die Anerkennung der Bezeichnung
„Unrechtsstaat“ zur Voraussetzung der Fraktionen von
Bündnis 90/Die Grünen und der
SPD, um mit der Linken eine Regierungskoalition zu bilden.
Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Partei im
Deutschen Bundestag, setzte sich im Nachhinein gegen die Bezeichnung ein.
[28] Die Bundesvorsitzende
Katja Kipping
erklärte jedoch, dass sie „die Formulierung, die die Thüringer da
gefunden haben in den Sondierungsgesprächen, vollkommen richtig“ fände.
[29] Werner Schulz
unterstrich in diesem Zusammenhang, dass das Unrecht in der DDR nicht
von Einzeltätern verübt wurde, sondern organisiert war und der
Herrschaft der SED diente.
[30]
Der
Brandenburger Generalstaatsanwalt
Erardo Cristoforo Rautenberg bestreitet, dass der Begriff Unrechtsstaat, wie ihn in den 1950er Jahren Fritz Bauer definierte, auf die DDR anzuwenden sei.
[13]
Juristischer Diskurs
Auch unter
Juristen ist umstritten, inwieweit die DDR als Unrechtsstaat bezeichnet werden könne.
Horst Sendler
vertritt die Ansicht, die DDR sei „im Kern ein Unrechtsstaat“ gewesen,
weil die Gesetze „nur Versatzstücke“ gewesen seien, die „bei Bedarf
beiseitegeschoben werden“ konnten, wenn sie „der Staatsführung […] oder
sonstigen zur Entscheidung befugten Organen“ nicht passten; die DDR habe
„drastisch-salopp“ gesagt „aufs Recht gepfiffen“.
[31] Demgegenüber meint
Ingo Müller, dass genauso wenig der Unrechtsstaat an sich existiere wie ein
Staat,
der sich ein für allemal den Ehrentitel „Rechtsstaat“ erworben habe,
sodass die einzelnen stattgefundenen Unrechtsakte jeweils für sich
bewertet werden müssten.
[1] Volkmar Schöneburg plädiert dafür, die
Rechtsnormen sowohl im
NS-Staat als auch in der DDR genau zu analysieren und nicht einfach durch die Kategorie „Unrechtsstaat“ zu ersetzen.
[32]
Das
Bundesverfassungsgericht
hatte gegenüber der DDR stets „eine vorsichtige und letztlich nichts
präkludierende Entscheidungsstrategie befolgt: Man hat sich geweigert,
die andere deutsche Republik als ,den Unrechtsstaat durch und durch‘ zu
betrachten […].“
[33]
Das
Amtsgericht Tiergarten
wies 2012 in einem Urteil gegen einen Stasi-Oberst dessen Behauptung
zurück, bei der DDR habe es sich nicht um einen Unrechtsstaat gehandelt.
„Aufgrund des gegenwärtigen Standes der Geschichtsforschung und der
rechtskräftigen Verurteilung führender Persönlichkeiten der ehemaligen
DDR steht fest, dass es sich bei der ehemaligen DDR um eine Gewalt- oder
Willkürherrschaft gehandelt hat.“
[34]
Siehe auch
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
- Ingo Müller, NJ 1992, S. 281 ff., 282.
- Sendler, ZRP 1993, 1 ff., 2.
- Wilhelm Rettler: Der strafrechtliche Schutz des sozialistischen Eigentums in der DDR (= Juristische Zeitgeschichte 3, 40). De Gruyter, Berlin/New York 2010, ISBN 978-3-11-024855-5, S. 183–184.
- Matthias Heine: Seit 1853 fürchten Staatsverbrecher dieses Wort.
In: Die Welt. 7. Oktober 2014, abgerufen am 9. Oktober 2014.
- Gustav Radbruch: Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht. In: Süddeutsche Juristenzeitung, 1946, S. 105–108 (hier das Zitat) (online als PDF
, Zugriff am 15. November 2014).
- Siehe z. B. Redaktion Kritische Justiz (Hrsg.): Der Unrechtsstaat. Recht und Justiz im Nationalsozialismus. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1979; Udo Reifner (Hrsg.): Das Recht des Unrechtsstaates. Arbeitsrecht und Staatswissenschaften im Faschismus. Campus, Frankfurt a.M./New York 1981; Günter Neliba: Wilhelm Frick: Der Legalist des Unrechtsstaates. Schöningh, Paderborn 1992.
- Sendler, ZRP 1993, 1 ff., 4.
- Sendler, ZRP 1993, S. 1 ff., 3.
- Sendler, NJ 1991, S. 379 ff., 380.
- Gerd Roellecke: War die DDR ein Unrechtsstaat?
FAZ.NET, 15. Juni 2009, abgerufen am 2. Juli 2009.
- Claudia Fröhlich: «Wider die Tabuisierung des Ungehorsams». Fritz Bauers Widerstandsbegriff und die Aufarbeitung von NS-Verbrechen, Campus, Frankfurt a.M./New York 2006, ISBN 978-3-593-37874-9, S. 99
und 118; Johannes Tuchel (Hrsg.): Der vergessene Widerstand. Zu Realgeschichte und Wahrnehmung des Kampfes gegen die NS-Diktatur (= Dachauer Symposien zur Zeitgeschichte; Bd. 5), Wallstein, Göttingen 2005, ISBN 978-3-892-44943-0, S. 222 ff.
- Vgl. Irmtrud Wojak: Fritz Bauer 1903–1968. Eine Biographie, 2., durchges. Aufl., C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58154-0, S. 276
.
- Erardo Cristoforo Rautenberg: Zu Haus unter Feinden, in: Die Zeit, Nr. 47 vom 13. November 2014, S. 17.
- BGBl. I 1963, 397.
- BGBl. I 1993, 392.
- Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (Hg.): Der Rechtsstaat und die Aufarbeitung der vor-rechtsstaatlichen Vergangenheit,
Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen
Staatsrechtslehrer in Gießen vom 2. bis 5. Oktober 1991, ISBN 3-11-013580-9. Den Begriff „Unrechtsstaat“ verwenden verschiedene Autoren auf den Seiten 16, 99, 114, 118, 135 f., 153 f., 156, 159.
- Vgl. auch Redaktion Kritische Justiz (Hrsg.): Der Unrechtsstaat, Frankfurt a.M. 1979; U. Reifner (Hrsg.): Das Recht des Unrechtsstaats, Frankfurt a.M./New York 1981.
- BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2004, Az.: 1 BvR 1804/03, BVerfGE 112, 93 ff., Rn 4.
- BGH, Beschluss vom 21. November 1994, Az.: AnwZ (B) 54/94, NJ 1995, 332 f., Rn 13.
- VG Karlsruhe, Urteil vom 16. Dezember 2008, Az.: A 11 K 1340/08
.
- Thomas Claer, War die DDR ein Unrechtsstaat?, in: Justament, Berlin, Oktober 2010 (online
).
- Deutschland Archiv 29 (1996) 3, S. 501; Wortlaut
(Version vom 11. Juni 2009 im Internet Archive).
- Kanzlerin Merkel rechnet mit DDR als „Unrechtsstaat“ ab.
Welt Online, 9. Mai 2009, abgerufen am 9. Juli 2009.
- Ilko-Sascha Kowalczuk: Die 101 wichtigsten Fragen – DDR. C.H. Beck, München 2009 (= Beck’sche Reihe, Bd. 7020), S. 35
.
- Gesine Lötzsch: Unrechtsstaat.
www.gesine-loetzsch.de, abgerufen am 2. Juli 2009 (PDF; 47 kB).
- Letzter DDR-Ministerpräsident: Lothar de Maizière will DDR nicht als Unrechtsstaat bezeichnen
, Spiegel Online vom 23. August 2010.
- Gesine Schwan: Diktatur: In der Falle des Totalitarismus.
Die Zeit, 25. Juni 2009, abgerufen am 18. Mai 2010.
- Mögliche Koalition in Thüringen Gysi: DDR war kein Unrechtsstaat
. In: tagesschau.de, 30. September 2014.
- Katja Kipping im Gespräch mit Gerhard Schröder
. In: Deutschlandfunk, 5. Oktober 2014.
- Die Linke, gefangen im Unrechtsstaat DDR
, Die Welt vom 5. Oktober 2014.
- Sendler, NJ 1991, S. 379 ff., 380.
- Volkmar Schöneburg: Recht im nazifaschistischen und im „realsozialistischen“ deutschen Staat – Diskontinuitäten und Kontinuitäten, NJ 1992, S. 49 ff., 50.
- Vgl. Alexander Blankenagel, Verfassungsgerichtliche Vergangenheitsbewältigung, ZNR 1991, S. 80 m.w.N.; Walter Leisner, Das Bodenreform-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Kriegsfolge- und Eigentumsentscheidung, NJW 1991, S. 1569 ff., hier S. 1573; vgl. auch Kurt Kemper/Robert Lehner, Überprüfung rechtskräftiger Strafurteile der DDR, NJW 1991, S. 329 ff.
- Presseinformation
der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen vom 26. März 2013.
Von 333 vom Historiker Hans-Peter Klausch ausgewerteten Lebensläufen von hessischen Landtagsabgeordneten waren mindestens 75 in der NSDAP. “Da nur 80 Prozent der NSDAP-Mitgliedskarteien erhalten seien, liege die tatsächliche Zahl vermutlich noch um einiges höher”, schreibt die FAZ und weiter: “Ehemalige Angehörige der Nazi-Partei gab es nach seinen Recherchen in allen hessischen Fraktionen, einschließlich SPD und Grünen; mit der KPD als einziger Ausnahme. In den Reihen der CDU wurden in den Wahlperioden von 1954 bis 1966 zwischen 25 und 35,7 Prozent der Mandate dauerhaft oder zeitweilig von früheren NSDAP-Mitgliedern wahrgenommen. Bei der FDP schwankte dieser Wert in den Jahren 1954 bis 1970 zwischen 60 und mehr als 70 Prozent.” Zwar gehörten zu den Landtagsabgeordneten aller Parteien auch Verfolgte der Nazi-Diktatur und Widerstandskämpfer, aber SS- und SA-Personalunterlagen hätten belegt, dass es sich nicht bloß um Mitläufer gehandelt habe, sondern “dass es auch schwer belasteten Nazis gelang, im hessischen Landtag unerkannt erneut politisch zu wirken.”
Auch in Ostdeutschland sollten alle Karten auf den Tisch. Es ist doch sicher interessant zu erfahren, wie viele Abgeordnete von der SED, sondern genauso von den ehemaligen Blockparteien übernommen wurden.
Es wird endlich Zeit, sich im Westen wie im Osten ehrlich zu machen, was die Vergangenheit angeht. Erst dann lassen sich vernünftige Schlussfolgerungen ziehen.
Von Menschen, die Unrecht rechtfertigen, Unterdrückung kleinreden oder keine glasklaren Demokraten sind, sollten sich alle Parteien trennen.